Eine der größten Veränderungen in jeder Mutter-Kind-Beziehung ist der Start im Kindergarten oder wie bei uns, bei einer Tagesmutter. Jedes Kind ist anders und bei jedem Kind dauert die Eingewöhnung unterschiedlich lange. Auch für uns Mamas ist es kein einfacher Prozess der Abnabelung. Schon während der Schwangerschaft habe ich den Entschluss gefasst, nach einem Karenzjahr wieder in den Job zurückzukehren.

Nun hat sich meine Situation durch meinen Jobverlust zwar verändert, aber die Notwendigkeit eines Kinderbetreuungsplatzes für Fräulein J. ist geblieben. Welches Unternehmen stellt eine Mama ein, die keinen gesicherten Betreuungsplatz für ihr Kind hat? Keines.

Bin ich egoistisch, weil ich mein Kind mit einem Jahr zur Tagesmutter gebe?

Vielleicht ein bisschen, aber nicht ausschließlich. Ich hatte damals einen Job, der mir Spaß gemacht und mich gefordert hat. In der Karenz vermisste ich die Gespräche mit meinen Kollegen über Themen, die sich nicht um Kinder, Windeln und Entwicklungsfortschritte drehten.

Meine neue Rolle als Mama ist unbeschreiblich schön, einzigartig und ich genieße die Zeit mit meiner Tochter sehr. Trotzdem möchte ich mehr als überspitzt formuliert „nur“ Mama sein. Ich finde es gut, dass es Vollzeit-Mamas gibt, die in dieser Rolle aufgehen und glücklich sind. Ich wäre es nicht, ich brauche auch berufliche Herausforderungen. Ich kann nur eine glückliche Mama sein, wenn ich auch eine erfolgreiche, berufstätige Frau sein kann, die spannende, herausfordernde Projekte entwickelt und umsetzt. Ist das egoistisch? Muss ich deshalb ein schlechtes Gewissen haben?

Von Schuldgefühlen und großen Meilensteinen

Immer wieder stoße ich mit meiner Entscheidung, Fräulein J. mit 12 Monaten zur Tagesmutter zu geben auf Unverständnis. BÄM! Da sind sie wieder, unnötige Aussagen wie „Das arme Kind, sie ist doch noch so klein und MUSS zur Tagesmutter, einer fremden Frau?“. Damit treffen Familienmitglieder anderer Generationen und Bekannte den wunden Punkt jeder Mama. Gnadenlos werden tiefe Schuldgefühle geweckt. Warum verunsichern mich solche Aussagen eigentlich? Für uns muss es doch passen.

Ich bin selbst mit einer berufstätigen Mutter aufgewachsen, sie hat im Betrieb meiner Großeltern mitgearbeitet und später von Teilzeit auf Vollzeit gewechselt. Ich kenne Familie nicht anders und meine Eltern waren hier keine Vorreiter, sondern ihre Lebenssituation erforderte es. Unabhängig davon und von meinen beruflichen Zielen erfordert unsere Lebenssituation zwei Einkommen – wir haben uns dafür gemeinsam entschieden. Deshalb habe ich mich auch rechtzeitig um einen Betreuungsplatz für Fräulein J. gekümmert.

Das erste Jahr mit dem Fräulein ist so schnell vergangen, plötzlich ist es Ende Oktober und die letzten Tage unserer besonderen Zeit neigen sich dem Ende. Am 3. November 2016 begann ein neuer Lebensabschnitt für Fräulein J. und mich. Natürlich bleibe ich weiterhin die Hauptbezugsperson für meine Tochter, aber eine neue Bezugsperson, die sie nun ein Stück auf ihrem Weg begleiten wird, tritt in unser beider Leben. Zu diesem Zeitpunkt machte sich bei mir ein  bisschen Wehmut breit, der 1. Geburtstag und die Eingewöhnung bei der Tagesmutter rückten näher. Wie wird es uns dabei gehen?

Eingewöhnung – und dann kam das große Kotzen

Der erste Vormittag war sehr aufregend für uns beide. Ich erfahre viel über unsere Tagesmutter und die anderen 4 Kinder, die alle im Alter zwischen 14 Monaten und 2 Jahren sind. Fräulein J. fühlt sich gleich wohl. ?Mama, ist da also alles in bester Ordnung? Sie war es ja gewöhnt, dass wir viel unternehmen, egal ob Babyschwimmen, Mama & Baby Yoga oder offene Spielgruppe.

Ich war sehr froh, dass der erste Tag so gut gelaufen ist und freute mich schon auf die darauf folgende Woche. Doch nicht nur ein gutes Gefühl, sondern auch einen Magen-Darm Virus habe ich vom 1. Tag der Eingewöhnung mit nach Hause genommen. Am nächsten Tag plagte mich plötzlich fürchterlicher Brechreiz. Ich war ständig am Kotzen und bekam Fieber. Gott sei Dank ging es unserem Fräulein gut.

Wir planten das Wochenende in Kärnten zu verbringen und mit den Großeltern den 1. Geburtstag zu feiern. Mein Mann wollte die Fahrt wegen meines Gesundheitszustandes abblasen, doch ich wollte die Großeltern nicht enttäuschen. Also fuhren wir nach Kärnten, obwohl es mir so richtig dreckig ging.

Auf der Feier war mir noch immer speiübel, ich hatte nur eine Suppe gegessen und blieb bei Wasser und Tee. Aber wie sagt schon ein altes Sprichwort, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Bei Kaffee und Torte, die ich beide verschmähte, fiel endlich die Frage „Bist du etwa wieder schwanger? Das wäre aber eine schöne Überraschung!“.

Ha, Ha – selten so gelacht.

Am Sonntag ging es mir schon besser und wir konnten am Montag mit der Eingewöhnung weitermachen. Fräulein J. und ich blieben wieder bis zum Mittagessen. Am Nachmittag schlug auch beim Fräulein der Magen-Virus zu und blieb ihr leider nicht erspart. Also blieben wir die restliche Woche zu Hause.

Kinderviren sind erbarmungslos – aber wir haben es überstanden

Weiter ging es mit der Eingewöhnung, nachdem es in meinem Beisein bereits einige Tage ganz gut klappte, ließ ich das Fräulein das erste Mal für 1 1/2 Stunden alleine bei der Tagesmutter. Ich nutzte die Zeit zum Einkaufen und setzte mich in ein Café in der Nähe. Es fühlte sich komisch für mich an. Ich bekam dann eine Nachricht von unserer Tagesmutter, dass sich Fräulein J. nicht beruhigen lässt und ich sie bitte abholen sollte. Das selbe Spiel spielten wir die ganze Woche, nach ca. 1-2 Stunden holte ich sie wieder ab.

Für mich war es fürchterlich, sie weinte bereits beim Hinbringen, wenn ich an der Tür läutete. Die Verabschiedung hielten wir jedes Mal sehr kurz. Aber sie weinte trotzdem und wollte nicht, dass ich gehe. Sobald sie in der Wohnung war, beruhigte sie sich für ungefähr eine halbe Stunde. Danach ging das Weinen wieder von Vorne los! Die größeren Kinder versuchten sie zu trösten, brachten ihr Spielzeug, unser Fräulein war enttäuscht und warf alles durch die Gegend. Jedes Mal, wenn ich sie abholte, weinte sie so lange, bis wir die Wohnung der Tagesmutter hinter uns ließen.

Unsere Reise durch das Tal der Tränen

Die nächsten 3 Wochen waren nicht viel besser – viele Tränen beim Abschied und viele Tränen beim Wiedersehen. Auch zu hause verhielt sie sich wie ausgewechselt. Sie wollte viel getragen werden und mit Mama kuscheln. Ich durfte nicht aus ihrem Blickfeld verschwinden. Ich versuchte Fräulein J. jeden Tag zu erklären, dass sie keine Angst zu haben brauche. An manchen Tagen musste ich es mir auch selbst wie ein Mantra vorsagen, dass es schon wird, Fräulein J. braucht nur etwas mehr Zeit als andere Kinder, um sich an die neue Situation zu gewöhnen.

Ich vertraute auf die fast 20 Jahre Berufserfahrung unserer Tagesmutter, auch wenn es mir zwischendurch sehr schwer fiel. Es tat so weh, Fräulein J. so unglücklich zu sehen. Hatten alle Zweifler etwa Recht? War meine Tochter zu jung für die Kinderbetreuung außerhalb der Familie?

Ich denke, auch unser Fräulein spürte meine Unsicherheit während der Eingewöhnungsphase. Ich versuchte diese Unsicherheit nicht zu zeigen, stark für uns beide zu sein. Aber es funktioniert wohl nicht. Was auch noch erschwerend dazu kam, war eine weitere Veränderung. Mitte Oktober hat mein Abend-Lehrgang begonnen, somit war ihre Mama plötzlich an zwei Abenden die Woche nicht da, brachte das Fräulein nicht ins Bett, sondern Papa. Zu diesem Zeitpunkt stillte ich unser Fräulein noch, ihr gewohntes Einschlafritual – beim Trinken einzuschlafen – fehlte ihr. Wo ist Mama? Jetzt lässt sich mich auch noch tagsüber für ein paar Stunden bei einer fremden Frau in einer fremden Wohnung!

Die Weihnachtsferien stehen vor der Tür – alles zurück auf Anfang?

Nach fast eineinhalb Monaten hatten wir also unsere Eingewöhnungsphase hinter uns. In der letzten Woche vor Weihnachten gab es keine Tränen mehr, weder beim Hinbringen noch beim Abholen. Am letzten Öffnungstag vor Weihnachten lud unsere Tagesmutter zu einem Weihnachtsfrühstück. Es war schön zu sehen, dass Fräulein J. endlich angekommen war. Sie setzt sich zu ihrer Tagesmutter auf den Schoß, lächelte, spielte mit den anderen Kindern – noch nicht aktiv mit, sondern neben ihnen, aber sie fühlte sich sichtlich wohl. Es irritierte sie fast ein bisschen, dass ihre Mama auch da war.

Es war ein schönes Gefühl dies zu sehen, doch plötzlich stieg die Panik in mir hoch, denn nun standen zwei Wochen Weihnachtsferien auf dem Programm. Ich fragte mich, wie wohl der Start ins neue Jahr sein wird. Werden wir wieder von vorne beginnen müssen? Erstaunlicherweise freute das Fräulein sich über das Wiedersehen mit ihrer Tagesmutter und den Kindern. Wir haben es geschafft! Holy Shit! We survived the verdammte Eingewöhnung!

Es war ein zäher Weg durch ein Tal der Tränen, gesäumt von tiefen Zweifeln und Schuldgefühlen einer Mama. Heute sehe ich ein glückliches Kleinkind, dass seine Tagesmutter gerne hat und die Zeit mit den Kindern in ihrer Gruppe genießt. Mittlerweile ruft sie schon aus der Ferne „Hallo“, trappelt alleine in die Wohnung und ruft mir ein lautes „Ba Bah!“ zu. Ich könnte ihr das zu Hause nicht bieten, auch wenn wir uns oft mit befreundeten Mamas und ihren Kindern treffen.

Wie ging es euch bei der Eingewöhnung im Kindergarten oder bei der Tagesmutter? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?

 

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